Virtuell und rappelvoll – Online-Spargelseminar am 21. Januar 2021
Wir, die Vereinigung der Spargelanbauer Westfalen-Lippe, werben ja auf unseren Werbemitteln mit dem „Spitzenerlebnis Spargel“. Dieses, im werbedeutsch „claim“ genannte Versprechen löste aber auch das gestrige, von Ralf Große-Dankbar und Carsten Wenke (Spargelberatung der LWK NRW) perfekt organisierte Online-Spargelseminar ein.
Da pandemiebedingt die traditionell im Dezember stattfindende Mitgliederversammlung ausfallen musste, entfiel auch die sonst alle drei Jahre angekoppelte Seminarveranstaltung zur Erlangung des Sachkundenachweises Pflanzenschutz in Wolbeck. Um wenigstens den theoretischen Teil absolvieren zu können – der praktische Teil folgt voraussichtlich im Laufe des Sommers – lud die LWK und die Spargelvereinigung alle Interessierten zu einer Onlineveranstaltung.
Das Interesse war enorm: 117 angemeldete TeilnehmerInnen und ReferentInnen verfolgten per Microsoft Teams in den eigenen vier Wänden die Vorträge von Christine Lessmann (LWK), Carsten Wenke und Ralf Große-Dankbar (LWK), Theresa von der Schulenburg (Master-Studentin, Uni Bonn), Andreas Vietmeier (Pflanzenschutzdienst NRW) und Jürgen Schulze (UBIGA GmbH). In den angesetzten drei Stunden gab es keinerlei Leerlauf.
Nach einem kurzen Resümee der vergangenen Saison durch den Vorsitzenden Willy Kreienbaum – dazu in einem separaten Artikel später mehr – eröffnete Christine Lessmann von der LWK NRW (Köln) mit ihrem 15minütigen Vortrag zur neuen Düngeverordnung im Hinblick auf den Spargelanbau. So steigt ihren Erläuterungen nach zwar der nominell nötige Arbeitsaufwand durch die Neubewertung von roten und grünen Flächen, der nötigen Düngebedarfsermittlung (DBE) und deren Dokumentation ab einem Eintrag von 50kg Stickstoff bzw. 30kg Phosphor pro Hektar sowie erweiterten Sperrfristen, jedoch werden diese Grenzwerte im reinen Spargelanbau nur selten überschritten. Von der Möglichkeit, Fragen im Chat zu stellen, machten die TeilnehmerInnen anschließend regen Gebrauch.

Unsere beiden Spargelanbauberater Ralf Große-Dankbar und Carsten Wenke berichteten in der anschließenden halben Stunde über die Ergebnisse der Spargelversuche 2020. Die Ergebnisse zum Sortenversuch bezüglich Nachbau und Neuanbau waren prinzipiell erwartbar – zwischen 7 und 27% weniger Ertrag je nach Sorte durch Pflanzung im Nachbau auf z.B. hofnahen Altflächen. Überrascht haben die Resultate vom Rostmonitoring, nachdem sich der Rost insbesondere auf Junganlagen in bestimmten Regionen NRWs stark ausbreitet. Die ausgesprochene Handlungsempfehlung, Grünspargel und Neupflanzungen möglichst räumlich getrennt von Bleichspargel zu pflanzen, wurde aufmerksam zur Kenntnis genommen.
Der massive Hagelschlag Mitte August 2020 ließ große Spargelflächen mitten während der Regenerationsphase einfach umknicken, einer Zeit, in der die Pflanzen normalerweise Reservekohlenhydrate (RKH) in den Wurzeln einlagern. Carsten und Ralf nahmen in den Folgemonaten Messungen dieser RKH vor, bis zum Januar 2021 hatten sich die Werte in den Wurzeln nur zu 70-80% erholt. Entsprechend ist auf den betroffenen Flächen in diesem Jahr eine Schonung, wie sie normalerweise auf Junganlagen nötig ist, sinnvoll. Der Streifenversuch zu Kalkdüngern (Physiomax und kohlensaurer Kalk) blieb in den Ergebnissen auf den in 2020 untersuchten Flächen inkonklusiv.

Nach einer mit 4 Minuten eher „sportlich“ bemessenen Kaffeepause präsentierte Theresa von der Schulenburg, Studentin der Uni Bonn, die Ergebnisse ihrer Bachelorarbeit zum Thema „Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie auf Spargelbetriebe in NRW“. Sie analysierte die betroffenen Betriebszweige und dokumentierte deren Anpassungsstrategien. So wurden in Anbetracht des Mangels an Saisonarbeitskräften (SAK) insbesondere Altflächen vorzeitig stillgelegt, so dass die beerntete Anbaufläche um 5% zurückging. Gleichzeitig sorgten die zusätzlichen Hygieneauflagen, Aufwendungen für Flug und Transport usw. für Mehrkosten von durchschnittlich 880€ pro SAK. In NRW konnten immerhin 17% der sonst üblichen Menge an SAK mit einheimischen Helfern ersetzt werden. Eine große Hilfe waren dabei Portale wie daslandhilft.de. Die Betriebsumsätze brachen kaum ein, der starke Einbruch der Abnahmemenge durch die Gastronomie und Großhandel wurde durch den Direktverkauf und Belieferung des Einzelhandels etwas aufgefangen.
Der anschließende, in einer Diskussionsrunde mit Ralf Große-Dankbar geführte Ausblick für 2021 ergab dann konkrete Handlungsempfehlungen wie
• nötige Umstrukturierung des Einsatzes der Arbeitskräfte durch Senkung des Handernte-Anteils und Erhöhung der Mechanisierungsrate (mehr Spargelspinnen und Erntewagen z.B.)
• Automatisierung durch Erntemaschinen derzeit nur bei großen Betrieben sinnvoll
• Intensivierung der Vermarktungsbemühungen etwa durch einen „Gläsernen Hof“ (soweit pandemiebedingt möglich)
• latent erhöhter Preis durch gestiegene Kosten
• Wissenstransfer aus 2020, erfolgreiche Arbeitsabläufe beibehalten
• Kostenkontrolle durchführen (z.B. durch die „Wollsparkuh“ der LWK)
Von den Teilnehmern gab es im Chat viel Lob für diese Arbeit.

Die anschließende halbe Stunde wurde durch den dicht mit Informationen gepackten Vortrag von Andreas Vietmeier (Pflanzenschutzdienst NRW) zur aktuellen Zulassungssituation von Pflanzenschutzmitteln und ihrer Auswirkung auf den Spargelanbau ausgefüllt. Informationen über auslaufende Zulassungen, Neuzulassungen, Verlängerungen und Anwendungsempfehlungen sind elementar wichtig, um unbedenkliche, verkehrsfähige Ware anbieten zu können. Mit großem Interesse wurde auch der Ausblick auf das vom BMU verantwortete Aktionsprogramm Insektenschutz verfolgt, schließlich soll es in einem Insektenschutzgesetz münden. Der derzeitige Entwurf sieht u.a. einen generell verringerten Pestizideinsatz vor, mehr Refugialflächen als Ausgleich für nötigen Pestizideinsatz und dem Verbot des Einsatzes innerhalb von den meisten Naturschutzgebieten.

Das Interesse an dem letzten Vortrag innerhalb des Onlineseminars, „Vorbereitung auf die kommende Ernte unter Berücksichtigung der Anforderungen aus der Corona-Pandemie“, gehalten von Herrn Jürgen Schulze von der UBIGA GmbH/Vorsitzender des Ostdeutschen Spargelverbands, war sehr groß. Besonders viele Fragen kamen von den TeilnehmerInnen im Laufe und nach Ende des Vortrags zum Hauptthema des betrieblichen Hygienekonzepts mit Einbeziehung aller Arbeitskräfte. Derzeit gültige Regelungen und Rahmenbedingungen wurden sehr detailliert erläutert, so dass einige TeilnehmerInnen gleich nach Ende des Seminars um Punkt 12 Uhr die Chance ergriffen, sich die nötigen FFP2- bzw. medizinischen Masken zu bestellen oder Um- und Einbauten an den Unterkünften zu organisieren.

Über den Anmelde-Mailverteiler werden in den kommenden Tagen alle Unterlagen zu den Vorträgen verteilt.